Geschichte und Sagen der mittelalterlichen Stadt Nördlingen


Nordilinga“ wurde im Jahr 898 zum ersten Mal urkundlich als karolingischer Königshof erwähnt. Unter der Herrschaft des Bischofs von Regensburg wuchs Nördlingen zum Markt heran.
1215 erhielt Nördlingen von Kaiser Friedrich II. Stadtrechte und wurde freie Reichsstadt. In jenem Jahr wurde die erste Stadtmauer errichtet, deren Grundriss bis heute sichtbar ist. 1219 wurde die Nördlinger Pfingstmesse das erste Mal urkundlich erwähnt. Die Stadt, an der Kreuzung zweier großer Handelsstraßen gelegen, stieg zum wichtigen Handelsplatz für Getreide, Vieh, Textilien und Pelze auf. Neben Frankfurt war Nördlingen eine der wichtigsten Fernhandelsmessen Deutschlands.
1238 zerstörte ein Brand einen großen Teil der Stadt, von dem sich die Stadt jedoch rasch erholte. Drei Generationen später hatten sich auch außerhalb der Stadtmauern eine große Zahl von Handwerkern, vor allem Gerber und Weber, angesiedelt. 1327 wurde der heute noch bestehende Mauerring gebaut, mit dem die ummauerte Stadtfläche auf das Vierfache anwuchs. 1427 begann der Bau der St.-Georgs-Kirche.
Die Stadt gehörte 1529 zu den Vertretern der protestantischen Minderheit (Protestation) am Reichstag zu Speyer. Ihre Bürgerschaft forderte die ungehinderte Ausbreitung des evangelischen Glaubens. 1555 wurde die Reformation in Nördlingen endgültig bestätigt.
Die Geschichte der Hexenverfolgung in Nördlingen ist gut dokumentiert. Zwischen 1589 und 1598 wurden 34 Frauen und ein Mann wegen Hexerei auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Ein historischer Wendepunkt im Dreißigjährigen Krieg waren die Belagerung von Nördlingen und die darauf folgende Schlacht bei Nördlingen im Jahre 1634, in der die schwedisch-protestantischen Kräfte erstmals entscheidend von den kaiserlich-habsburgischen Truppen geschlagen wurden. Die Stadt musste sich den Siegern öffnen, wurde aber nach hohen Reparationszahlungen nicht durch die siegreichen Truppen geplündert. Allerdings büßte die Stadt während und nach der Belagerungszeit durch Hunger und Krankheit über die Hälfte ihrer Bevölkerung ein. Auch im den spanischen Erbfolgekrieg wurde die Stadt durch die Auswirkungen in der Nähe stattfindenden Schlachten von Höchstädt gebeutelt.
Der Handel verlagerte sich nach dem Krieg zu den Seehäfen – ein weiterer Grund, warum Nördlingen seine Bedeutung als Handelszentrum verlor. Dieser erzwungene Stillstand ist der Grund, dass das mittelalterliche Stadtbild so gut erhalten geblieben ist.

Sagen:

Die Geschichte von der Sau


"So G'sell So" wer schon einmal in Nördlingen war, wird diesen Ruf bestimmt schon einmal vom Türmer, der diesen jede Nacht vom Daniel schreit gehört haben. Was genau hinter diesem doch eher seltsamen Ausruf aus alter Zeit steckt verrät diese nette Ballade vom ehem. Stadtarchivar von Nördlingen, Herr Dr. Gustav Wulz.




Das war Graf Hans von Wallerstein, der leerte manchen Humpen.
Doch schließlich konnt's nicht anders sein: Kein Mensch wollt ihm mehr pumpen. 
Das sprach der Graf: "schockschwerenot, soll ich vor Durst erschlaffen,
indes den Wein der liebe Gott zum Trinken hat geschaffen.
In Nördlingen hat man das Geld, das mir in meinem Beutel fehlt.
Man braucht es nur zu holen. Geraubt ist nicht gestohlen!"
Jedoch die Mauern, die sind hoch und dick und wohlbestückt.
Am Tor, da ist allein das Loch, wo es vielleicht mir glückt.
Der Torwart ist ein Erzfilou, der läßt um Geld sich dingen,
sperrt er bei Nacht das Tor nicht zu, so wird es mir gelingen. 
Dann gnad Euch Gott, ihr Bürgerpack, ich greif Euch tief in Euren Sack,
mit Euern schönen Gulden zahlt Ihr mir meine Schulden.
Der Graf, der schickt zum Torwart ein den schlausten der Getreuen:
 "Dein Schaden, Torwart, soll's nicht sein, es wird Dich nicht gereuen.
Lehn' heute Nacht Dein Tor nur an, laß offen es ein wenig.
Graf Hans, der ist ein nobler Mann, der zahlt Dich wie ein König".
Der Torwart, der ist gleich dabei, er war stets für die Lumperei,
und läßt um Geld sich kaufen, das will er dann versaufen.
Doch nah beim Tor, da haust ein Schwein, von Freiheitsdrang beseelt,
das sich um das Gefangensein in seinem Herzen quält.
Es findet nachts den Weg zur Gass', zum offenen Tor es eilt,
woselbst es nun zu seinem Spaß des längeren verweilt.
Den Rüssel steckt es in den Spalt - das Tor gibt nach, ihm fehlt der Halt.
Die Sau will vor Ergötzen den Rücken sich dran wetzen.
Indes holt eines Webers Frau spät abends ihrem Manne
beim Gastgeber zum Goldnen Pfau vom Bier noch eine Kanne.
Da sieht sie in des Mondes Schein am Stadttor voller Grausen
das Hinterteil von einem Schwein, das andere war schon draußen.
Erkennt dadurch, das Tor ist auf, schreit "Mordio", man kommt zu Hauf
mit Spießen und mit Stangen. Der Torwart wird gefangen.
Im Loch, da wird der Bösewicht geklemmt mit Daumenschrauben,
worauf die Wahrheit aus ihm bricht - man kann es schier nicht glauben
- gesteht Bestechung und Verrat und alle andre Tücke
Er kriegt den Lohn für seine Tat - man haut ihn in vier Stücke.
Graf Hans steht vor verschlossenem Tor und kommt sich überflüssig vor,
gibt seinem Pferd die Sporen. Dies Spiel hat er verloren.
In Nördlingen herrscht froher Mut, die Kirchenglocken klingen.
Ja, dieses Mal ging es noch gut, man läßt Te Deum singen.
Es wird ein Jahrtag angestellt mit einer großen Spende
wobei man eine Predigt hält, man preist das gute Ende,
man preist die brave Webersfrau, daneben auch die wack're Sau.
Und beiden noch zu Ehren kann man vom Turme hören:
 So, G'sell, so! 





Das Gottesgericht zu Nördlingen

Noch heute kann man bei genauerem Hinsehen an der Fassade des "Hohen Hauses" am Markplatz direkt gegenüber des Nördlinger Rathauses einen kleinen steinernen Kinderkopf erkennen. Auch hinter diesem eher unscheinbaren Hausschmuck verbirgt sich eine Nördlinger Sage, die folgendes Gedicht von Paul Schnizlein, Pfarrer in Aufhausen a.d.K. (1854) sehr anschaulich schildert.




Was drängt die Straße dort herauf
Das Volk in wildem, bangen Lauf?
Der Büttel führt ein schönes Kind.
Was der wohl zu beginnen sinnt?
Nachdrängt mit lautem Schrei'n und Rufen
Das Volk hinan die Rathausstufen.


Versammelt sind im hohen Saal.
Die Ratsherren alle an der Zahl.
Zu halten heute ist Gericht,
In dem der Himmel Urteil spricht.
Und wie sie nun das Kind empfangen,
Da hat der Älteste angefangen:


"Der Knabe, wie ihr alle wisst,
Ob auch noch jung, ein Mörder ist.
Nachahmend des Vaters Fleischerwerk
Im Spiel, hieb er mit ganzer Stärk'
Und nur geführten zweien Hieben
Den Bruder, dass er tot ist blieben."


"Wir haben's viel erwogen nun,
Doch ohne einen Spruch zu tun.
Ob schuldig er, ob schuldig nicht,
Soll drum entscheiden Gottes Gericht!"
Und alle sind hinaus gezogen
Ins Freie durch des Tores Bogen.


Da ward gereicht dem bangen Kind
Ein Teller, drauf nur Äpfel sind,
Und auch ein Teller schön und bunt,
Drauf der Dukaten blinkend Rund,
Sieh frei zu wählen eins von beiden;
Der Himmel wird gerecht entscheiden.


Stumm schweiget nun der weite Kreis,
Nur Seufzen tönet bang und leis;
Doch hat das Kind sich nicht bedacht,
Einen Apfel schon zum Mund gebracht,
Da bricht die unzählbare Menge
Laut brausend aus in Jubelklänge!


Es ist nicht nötig Spruch noch Wort.
Die Menge trägt den Knaben fort.
Wo Unschuld so entschieden spricht,
Da braucht's der Menschen Urteil nicht;
Wo so der Kindessinn umlichtet,
Da hat der Himmel selbst gerichtet.


Toreinwärts dringt das Gebraus,
Man trägt das Kind ins Elternhaus;
Da hta's an Elternbrust geruht,
Gesühnet war des Brunders Blut. 
Ein Kindeskopf ward in Stein gehauen,
Den kann man noch am Hause schauen.





Die Hexe von Nördlingen

Sebastian Röttinger
Die Geschichte der Maria Holl, die als Hexe von Nördlingen bekannt wurde beruht auf einer wahren Begebenheit, die durch Originalprotokolle von 1593/1594 aus dem Stadtarchiv Nördlingen sehr detailliert dokumentiert ist. Maria Holl wurde 1549 in Altenstadt bei Geislingen an der Steige geboren und betrieb in Nördlingen, wo sie 1587 Bürgerin der Stadt wurde zusammen mit ihrem Mann Michael Holl die Gastwirtschaft "Zur goldenen Krone" am Weinmarkt. Während der Hexenprozesse in Nördlingen (1589-1598) wurde die Kronenwirtin im Jahr 1593 aus Neid wegen ihrer gut laufenden Wirtschaft von der Edelfrau Maria Marb der Hexerei beschuldigt. Als Erste der insgesamt 34 Angeklagten in Nördlingen legte sie trotz 62 Folterungen im Rathauskerker kein unwiederrufenes Geständnis ab. Wegen ihrer Standhaftigkeit und wohl auch durch den hohen Druck den die einflussreiche Ulmer Verwandschaft der Maria Holl über den Regensburger Reichstag auf den Rat der Stadt Nördlingen ausübte, sah dieser sich gezwungen die Kronenwirtin am 11. Oktober 1594 vom Vorwurf der Hexerei freizusprechen. Um die Ehre des Rats und der Stadt nicht zu besudeln musste Maria Holl einen Urfehdebrief unterzeichnen, der vom Bürgermeister Sebastian Röttinger und dem Augsburger Juristen Georg Tadel eigens dafür angefertigt worden war. Darin verpflichtete sich die Kronenwirtin ihr Haus nicht mehr zu verlassen und sich an keinem der Mitwirkenden des Prozesses und den Peinlichen Befragungen zu rächen. Ebenso bestätigte sich durch ihre Unterschrift die Richtigkeit des gesamten Verfahrens und die Korrektheit des Vorgehens des Stadtrates. Maria Holl starb nach zwei weiteren Ehen im Jahr 1634 im Alter von 85 Jahren wahrscheinlich an der Pest, nachdem sie all ihre Peiniger überlebt hatte und als die berühmteste Hexe Nördlingens in die Geschichte einging.

Von dem Verein Alt Nördlingen wird in unregelmäßigen Abständen das sehr sehenswerte Stück "Die Hexe von Nördlingen" in der Freilichtbühne Alte Bastei aufgeführt.

Ebenso sehr empfehlenswert ist der Roman "Die Hexe von Nördlingen - Das Schicksal der Maria Holl" von Lore Sporhan-Krempel

Weitere Informationen zu den Hexenprozessen in Nördlingen findet man auf www.historicum.net


Das Kantenweible


Die Geschichte über das Kantenweible ist eine der weniger bekannten Sagen aus Nördlingen und wohl eher eine Gruselgeschichte für die unfolgsamen Kinder der damaligen Zeit.


Im Mittelalter wurde den Kinder erzählt, dass auf der Stadtmauer nahe dem Balinger Tor eine böse alte Frau lebt, die man das Kantenweible nannte. Wenn die Kind nach dem Abendläuten nicht sofort nach Hause gingen sondern sich noch allein auf der Stadtmauer herumgetrieben wurden sie von dem Kantenweible in einen der vielen Backofentürme an der Baldinger Mauer gesperrt. Zu essen gab die Alte den Kindern nur Wasser und Brotkanten, die sie selber nicht mehr kauen konnte. Daher wahrscheinlich auch ihr Spitzname. Nach zwei Tagen dann ließ das Kantenweible die Kinder wieder gehen.




Interessante Bücher zu diesem Thema sind:
"Geschichten, Sagen und Legenden aus dem Ries und seiner Nachbarschaft"
von H. Dettweiler/K. Höpfner
"Was uns Nördlinger Häuser erzählen"
von Georg Monninger